Im April hat die Parlamentarische Versammlung des Europarats Alain Chablais per 1. September 2024 zum liechtensteinischen Richter am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gewählt. Anlässlich des Starts seiner neunjährigen Amtsperiode war Alain Chablais am Donnerstag, 17. Oktober zu einem Antrittsbesuch in Liechtenstein. Dabei kam es zu Treffen mit S.D. Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein, Justizministerin Graziella Marok-Wachter sowie Vertreterinnen und Vertretern des Landtags und von Justizbehörden.
EGMR spielt entscheidende Rolle bei der Überwachung von Menschenrechten
Liechtenstein ist seit 1978 Mitglied im Europarat und als solches auch Vertragspartei der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK). Für die Überwachung dieser Konvention ist der EGMR zuständig. An diesen können sich sowohl die 46 Mitgliedsstaaten als auch deren rund 700 Millionen Bürgerinnen und Bürger wenden, wenn sie eine Verletzung der EMRK geltend machen wollen. Jeder Mitgliedsstaat des Europarats ist durch einen unabhängigen Richter oder eine unabhängige Richterin am EGMR vertreten, welche von der Parlamentarischen Versammlung des Europarates für eine einmalige neunjährige Amtsperiode gewählt werden. In jedem Verfahren gegen einen Mitgliedsstaat, welches vor dem EGMR behandelt wird, sitzt auch der jeweilige Richter bzw. die jeweilige Richterin des betroffenen Mitgliedsstaates.
Pflege von Beziehungen auch für EGMR wichtig
Obschon die Richterinnen und Richter am EGMR unabhängig arbeiten und die Urteile des EGMR für die Mitgliedsstaaten verbindlich sind, ist der Austausch zwischen dem EGMR mit den Mitgliedsstaaten für das Funktionieren des Konventionssystems von entscheidender Bedeutung. Dies insbesondere auch, da der EGMR über keine Vollstreckungsbefugnisse verfügt und die Staaten für die Umsetzung der jeweiligen EGMR-Urteile verantwortlich sind. So bedarf es für die Umsetzung von Urteilen häufig nationaler Gerichte oder des Gesetzgebers, weil beispielsweise ein Gesetz angepasst werden muss oder eine Änderung der Rechtsprechung nötig ist, um eine Menschenrechtsverletzung aufzuheben
Zudem spielen die nationalen Gerichte eine Schlüsselrolle in der Anwendung der EMRK. Sie können bereits in den nationalen Verfahren sicherstellen, dass ein effektiver Schutz der Menschenrechte besteht und daher der Instanzenzug an den EGMR nicht mehr notwendig ist. Ein Austausch zwischen den Gerichten soll daher eine Harmonisierung von Entscheidungen fördern, was zu einem besseren Schutz von Menschenrechten auf allen Ebenen beiträgt.
Durch den Antrittsbesuch von Richter Chablais wurde die Bedeutung dieser Zusammenarbeit zwischen dem EGMR und den nationalen Justizbehörden sowie Vertreterinnen und Vertretern des Landtags hervorgehoben. Alain Chablais stattete ausserdem S.D. Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein sowie Justizministerin Graziella Marok-Wachter einen Höflichkeitsbesuch ab.
Ebenfalls tragen Universitäten und Forschungsinstitute zur Weiterentwicklung und dem Verständnis von Menschenrechten bei, weshalb der Besuch von Richter Chablais in Liechtenstein durch eine Führung an der Universität Liechtenstein sowie einen persönlichen Austausch mit Christian Frommelt, Rektor der Universität Liechtenstein und Thomas Meier, Direktor des Liechtenstein Instituts, abgerundet wurde.